Geboren 1966 in (Irak)
Lebt und arbeitet in (Vereinigtes Königreich )
Biographie
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Biographie

Jananne Al-Ani ist 1966 in Kirkuk im Norden Iraks geboren, ihr Vater ist Araber und ihre Mutter Irin. 1980, zu Beginn des Iran-Irak-Krieges, verlässt sie ihr Land mit ihrer Mutter und ihren drei Schwestern um sich in Großbritannien niederzulassen, während ihr Vater im Irak bleibt. 1986 beginnt sie ihr Studium an der Byam Shaw School of Art in London, die sie 1989 mit einem Diplom verlässt. Nach einer Licence, einem dreijährigen Studium an der Universität von Westminster, erhält sie 1995 einen Magistertitel in Fotografie am Royal College of Art.

Ab 1987 wird ihre Arbeit in Londoner Galerien ausgestellt. Nachdem sie in ihren Anfängen eher von der Malerei angezogen war, wendet sie sich nun immer mehr der fotografischen, audiovisuellen Installation und der Videoinstallation zu, und benutzt in ihrer Arbeit in größerem Ausmaß die Informatik. 1991 erhält sie den ersten Preis für Fotografie der South Bank Show. Sie stellt sehr viel aus, in Großbritannien ebenso wie im Ausland. Ihre erste Einzelausstellung findet 1998 in der Galerie Margaret Hervey in St Albans in Großbritannien statt, anschließend werden ihre Arbeiten in der Storedich Biennale in London und der Bluecoast Gallery in Liverpool gezeigt. 1999 widmet ihr das Smithsonian Institute in Washington eine Ausstellung. Im gleichen Jahr stellt sie im Imperial War Museum in London aus, wo sie das erste Mal ihre Videoinstallation A Loving Man präsentiert. Für diese Installation erhält sie 2000 den East International Award.

 

Ihre ersten Arbeiten erforschen die Schönheit und die Darstellung des Körpers in der westlichen Kunst. In der Folge wird ihre Arbeit immer mehr durch ihr Interesse für die weiblichen, fetischierten Formen in der orientalisierenden Malerei und Fotografie beeinflusst. Zu diesem Thema schreibt sie: “Mein Interesse für den Orientalismus war der Ausgangspunkt einer langen Entwicklung, in der ich mich meiner kulturellen Identität, mit der ich 1991, zu Beginn des Golfkrieges konfrontiert war, neu zu stellen hatte.“1

Ihr ganzes Werk ist von dieser persönlichen Spaltung geprägt: ihre Identität als irische und irakische Frau stellt sie zwischen zwei Welten, den Westen und den Osten, die sich oft gegenüberstehen, aber deren Vereinigung einen großen menschlichen und künstlerischen Reichtum ergibt. Der Ort der Vereinigung dieser doppelten Identität entspricht im Werk von Jananne Al-Ani systematisch dem Körper: ihrem eigenen, dem anderer Frauen, dem ihrer Schwestern und ihrer Mutter. Der Körper “als Territorium“, von dem Michket Krifa spricht2: “[sie hat sich] völlig den Raum [ihrer] Kreation, [ihres] Körpers angeeignet, indem sie daraus das Territorium [ihres] künstlerischen Ausdrucks macht. In diesem kompakten Raum finden sich die Erfahrungen und Eindrücke zu einer Inkarnation zusammenfinden. Ein Abbild des Körpers, der nur auf sie selbst verweist und der sich jeder Form des Symbolismus oder des Ikonenkults verweigert.“

 

Wenn sie in ihrer Arbeit das Thema des Krieges anschneidet, so geschieht dies häufig in Form eines Vergleichs zwischen ihren eigenen Gefühlen, ihren Erfahrungen und denen Frauen anderer Generationen oder anderer Kulturen. Ihre Fotoserie Portraits (1999) stellt Gesichter von Frauen dar, die ihr Gesicht mit den Händen bedecken, um einen Ausdruck von Schmerz oder Trauer zu verbergen. Sie zeigen einen Querschnitt an Emotionen, die mit dem Krieg verbunden sind und die eine Alternative zu den von den Medien verbreiteten Bildern bieten.

Die Videoinstallation A Loving Man (1996-99) erforscht das Gedächtnis durch die Familiengeschichte und das Erzählen von Geschichten. Sie behandelt das Gefühl des Verlusts und der Zurückweisung, die Frauen erleben: Ehefrauen, Mütter und Töchter, die von ihrem Vater oder ihrem Ehemann durch kulturelle Unterschiede oder durch den Krieg getrennt sind.

Die Wort- oder Erinnerungsspiele bilden den Ausgangspunkt vieler ihrer kürzlich entstandenen Videoarbeiten, in denen oft ihre Mutter und ihre Schwestern zu sehen sind. Dies ist der Fall in A Loving Man, aber auch in Tell/Tale (2002), die mit dem Prinzip des „arabischen Telefons“ spielen oder in She Said (2000), eine Videoinstallation, die aus fünf Bildschirmen besteht, auf denen man eine Arbeit über die Konstruktion der Erzählung und über die Sprache findet, Quelle des Wissens aber auch der Missverständnisse.

In ihrem Video, das sie während der Ausstellung Curio  in London (2002) zeigte, und das auf eine große Mauer gegenüber dem Kobi Nazrul Centre projiziert wurde, sieht das Publikum, ohne gesehen zu werden, eine Frau, die sich die Haare bürstet, und die  immer ihr Gesicht bedecken. Die Künstlerin sucht, nach ihren eigenen Angaben „die Beziehung zum Voyeurismus zwischen dem Zuschauer und dem Subjekt zu stören. [...] Das Bürsten wird unbeirrt fortgesetzt, und stimuliert so das Verlangen des Zuschauers, die Identität der Frau zu enthüllen“.3

 

Jananne Al-Ani hat ebenfalls mehrere Events und Ausstellungen organisiert oder mitorganisiert, vor allem im Rahmen ihrer Arbeit als Ausstellungsassistentin für Autograph, einem Verein schwarzer Fotografen. Mit dem Künstler Frances Kearney hat sie im Jahre 2001 zum Beispiel eine Sammelausstellung zum Thema Spiel, Fair Play, in der Danielle Arnaud Contemporary Art Gallery in London co-organisiert, in der sie ihr Werk Cradle präsentierte, ein Video, das auf schwarzem Grund Hände zeigt, die mit einer Schnur spielen.

Mit drei anderen Künstlern organisiert sie 2003-2004 die Wanderausstellung Veil, produziert vom InIVA  (Institute of International Visual Arts), das die Arbeit von etwa zwanzig zeitgenössischen Künstlern zum Thema des islamischen Schleiers vorstellt, vor allem mit den Arbeiten von Majida Khattari und Ghazel.

2003 nimmt sie an der Ausstellung DisORIENTation im Haus der Kulturen der Welt in Berlin teil, ebenso an Love Affairs, einer Wanderausstellung in den Galerien der IfA in Deutschland und an Fantaisies de Harem et les nouvelles Schéhérazade im Centre de Cultura Contemporània in Barcelona.

Ende 2004 wird sie an der Ausstellung Beyond East and West: Seven Transnational Artists im Hood Kunstmuseum in Hannover teilnehmen, in Weiterführung ihrer Überlegungen zu den kulturellen Schranken zwischen Ost und West und zur Multikulturalität.

 

 

Emilie Benoit

 

 



1 “My interest in Orientalism was the beginning of a long process of re-examining my cultural identity which I was brought face to face with in 1991 with the outbreak of war in the Gulf.“ Jananne Al-Ani, Artist's statement, November 2000.

2 Ausstellungskommissar der Rencontres 2002 de la photographie in Arles, in: Rencontres de la photographie 2002, Actes Sud, Arles, 2002, S. 72

3 “For CURIO, I am showing a large scale video projection which attempts to disrupt the voyeuristic relationship between viewer and subject. The audience watches, unseen, as a woman brushes her hair forward and over her face. The brushing continues undisturbed, exiting the desire of the viewer for the woman's identity to be revealed.“, ibid.