Undertone, 1972
PAL, Ton, schwarzweiss
Das Konzept für dieses Videoband ist simpel und wirksam. Im Vordergrund ein Tisch, dessen eine Seite an der Bildschirmunterseite auftaucht. Im Hintergrund ein leerer Stuhl, der an einer Wand steht. Man hat den Eindruck, es handle sich um einen abgeschlossenen, zusammenrückenden Ort, der mit dem Innern des Bildschirms selbst vergleichbar ist. Vito Acconci dringt in diesen Raum ein und setzt sich auf den Stuhl vor die Kamera bzw. den Zuschauer, die Arme unter dem Tisch, den er betrachtet. Er beginnt einen beharrlichen und zwiespältigen Monolog, als wollte er sich abwechselnd davon zu überzeugen versuchen, daß eine Frau unter dem Tisch ist, die ihm die Schenkel reibt bzw. daß er sich die Schenkel selbst reibt. : "I want to believe there's no one here under the table [...]. I want to believe there's a girl here."1 Anschließend schaut er hoch, zieht seine Hände unter dem Tisch hervor und reibt sie aneinander. Dann wendet er sich direkt an den Zuschauer : "I need you to keep your place there at the head of the table. I need to know I can count on you [...]"
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Durch diese Geste des Ausschlusses / Eindringens in den Bereich des andern erinnert der Kommunikationsversuch an Home Movies : eine in der Vorstellung bestehende unsichtbare Frau, die Kamera bzw. der Zuschauer und der Künstler. Es gibt in diesem Video jedoch keine explizite Bezugnahme zur Vergangenheit, zur Autobiographie und zu den eigenen Werken, sondern zu einer nackten psychologischen Größe, die den Zuschauer dazu zwingt, in die Rolle eine Voyeurs und Komplizen zu schlüpfen.
Man spürt die störende Präsenz des Tisches, auf dem der Widerschein Vito Acconcis deutlich wahrnehmbar ist, als handele es sich um eine Metapher für das Fernsehgerät und seinen Bildschirm.. Undertone [mit leiser Stimme] erinnert aber auch an die Beziehung, die in einem Beichtstuhl zustande kommen kann, und an die Perversität einer Erziehung, in der man alles, was unten herum stattfindet, nicht tut.
Kamel Boukhechem
1 "Ich möchte ja gerne glauben, daß hier niemand unter dem Tisch ist [...]. Ich möchte gerne glauben, daß hier eine Frau ist."
2 "Ich hätte gerne, daß Sie auf diesem Platz bleiben, dort, am anderen Ende des Tisches. Denn ich muß sicher sein, daß ich auf Sie zählen kann. [...]"