Home Movies, 1973

NTSC, Ton, schwarzweiss


"Home movie" entspricht auf deutsch einem "Familienvideo", dessen Bedeutungen wiederum von einer Künstlergeneration zur anderen unterschiedlich sind. Vito Acconci stellt unter diesem Titel ein Beziehungsgefüge zwischen seinem Intimleben, seinem Schaffen und der Öffentlichkeit vor. In der durch die befestigte Kamera erhaltene Bildeinstellung definiert der Künstler durch die Stellungen seines Körpers, seine Bewegungen und durch einen Monolog, anhand dessen zum einen die charakteristischen Beziehungen zu seiner Lebensgefährtin und zum anderen die zu seinen Zuschauer dargestellt werden. Er verändert seine Stellung in einer Bewegungsschleife, die im Video zehnmal aufgegriffen wird.
In der Ausgangsstellung sitzt Vito Acconci vor seiner Arbeit und wendet der Kamera und dem Zuschauer den Rücken zu. In einem knappen Diakommentar über seine Werke von 1969 bis 1971 weist er auf seinen Künstlerstatus und sein Schaffen hin. Ohne aufzustehen, dreht er sich nach links und wendet sich an eine abwesende Person außerhalb der Einstellung: seine Lebensgefährtin. Er spricht vom Leben zu zweit, den Menschen, die ihn umgeben (insbesondere einer dritten Person in ihrem Intimleben), den Kompromissen dieses Lebens, der Kontrolle, die er über jede Person und über sich selbst haben muß, und seinen existentiellen Problemen in den Jahren 1970 und 1971. Anschließend steht der Künstler auf und stellt sich vor die Dialeinwand. Durch die Spots sehen wir ihn nur ausschnittsweise. Er macht durch nur wenig explizite Worte deutlich, daß er seiner Arbeit kritisch gegenübersteht. Er äußert den Wunsch, ein Beispiel hinzufügen zu dürfen, dreht sich nach links und beugt sich nach vorne. Er erwähnt aber die strukturellen und substrukturellen Beziehungen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, zeitlich und räumlich, ohne sie zu veranschaulichen. Er wendet sich hier gleichermaßen ans Publikum und an seine Lebensgefährtin. Vito Acconci liefert uns nichts, das uns helfen würde, den Inhalt seines Schaffens durch seine Biographie zu begreifen. Es handelt sich um die Beziehung der Stellungen zueinander.
Vito Acconci zeigt unter dem Titel Home Movies einen begrifflichen Ansatz seiner Beziehung zur Intimität und zum Publikum, obwohl dieser Begriff in den folgenden Jahrzehnten auf ein vollkommen anderes Genre Bezug nimmt: auf dokumentierende Videos, in denen der Alltag einer Familie zur Schau gestellt wird (Joël Bartoloméo,Pierrick Sorin).

Thérèse Beyler