Turn-On, 1974
NTSC, Ton, Farbe
Turn On beginnt mit einer - fast nicht zuzuordnenden - Großaufnahme des Hinterkopfs von Vito Acconci. Dieser summt leise vor sich hin und bewegt seinen Kopf einem beharrlichen Rhythmus folgend auf fast autistische Art und Weise leicht hin und her. Die Spannung steigt : er singt crescendo, wird heftig und aggressiv; seine Bewegungen werden immer abgehackter. Plötzlich dreht er sich keuchend um und schaut in die Kamera. Sein scheeler Blick füllt den Bildschirm aus : "Now ! I have to face you now. Reveal myself´ But you can't take it yet. I have to wait."1Er dreht der Kamera erneut den Rücken zu und summt immer intensiver weiter. Die Abfolge des Umdrehens und Abwendens/des Summens und der gesprochenen Worte wiederholt sich mehrmals hintereinander. Immer, wenn Vito Acconci in die Kamera schaut, spricht er einige Aspekte seiner Kunst, die über den Zuschauer zustande kommt, an und stellt seine Autobiographie dem Rahmen seiner künstlerischen Praxis gegenüber : "I can talk about her, but maybe you've heard me talk too much about women."2 Er verwirft seine einstigen Schaffensstrategien : "I've been too abstract, now I can be concrete, no more galleries, no more museums. It's me. I have no conviction anymore. I can't find any reason to do art."3
Turn on : anmachen, aber auch jemanden anmachen. Noch nie ging Vito Acconci in seinem nackten psychologischen Verhältnis, in der Brutalität dem Zuschauer gegenüber, so weit, daß er ihm in einem übersteigertem Paradox entgegenschleudert : "I'm waiting for you [...] not to be there."4
Die Ablehnung des Zuschauers und diese Heftigkeit zeigen, daß das direkte Verhältnis zum Zuschauer, das er durch das Video aufgebaut hat, in einer Krise steckt. Im gleichen Jahr gehen seine Reden in Face of the Earth, - ebenfalls ein Farbfilm, mit einer sehr schmalen Bildeinstellung -, schon in eine andere ganz Richtung : er führt die Geschichte und die amerikanische Mythologie der Fiktion ein, um seinem Handeln, seiner eigenen Rolle und der des Zuschauers neue Argumente zugrundezulegen.
Kamel Boukhechem
1 "Jetzt! ! Ich muß mich Dir jetzt stellen. Mich enthüllen... Aber nicht gleich. Ich muß warten."
2 "Ich möchte von ihr reden, aber du hast vielleicht genug davon, mich immer über Frauen reden zu hören."
3 "Ich war zu abstrakt, jetzt kann ich konkreter sein, keine Galerien mehr, keine Museen mehr. [...] Das bin ich. Ich habe keine Überzeugungen mehr. Ich finde einfach keinen Grund mehr, Kunst zu machen."
4 "Ich erwarte von dir, daß du nicht da bist."