Open Book, 1974
PAL, Ton, Farbe
In Open Book zeigt die Kamera den Mund Vito Acconcis in Großaufnahme. Vito Acconci ist paradoxerweise damit beschäftigt, ihn offen zu halten, während er spricht. Die Funktion von Artikulation und Kommunikation in der gesprochenen Sprache wird somit ad adsurbum geführt. Sein Monolog, durch den der Zuschauer aufgefordert wird, mit dem Bild und dem Künstler in Beziehung zu treten, ist nahezu unverständlich. Das Video stellt demnach die Sprache zugunsten des Mundes, als merkwürdige Darstellung der Öffnung zum anderen hin und als Ort oder Buch, in den Hintergrund.
Der Zuschauer, der sich auf dieses prägnante Bild konzentriert, sieht zuerst die Lippen und Zähne, anschließend als Großaufnahme die Zunge wie einen Muskel, der sich in seiner Höhle, die aussieht wie eine Grotte, bewegt. Der Raum des Wortes wird durch die Mundhöhle und durch die offenen Laute dargestellt, die durch den Atem nach vorne ausgestoßen werden.
Die Dauer des Films und der durch die Anstrengung langsam ermüdende Künstler veranlassen diesen dazu, die Regeln, die er festgelegt hat, zu relativieren. Seine Stimme wird heißer und sein Mund trocknet aus. Vito Acconci schluckt, um wieder Kraft zu schöpfen. Er entschuldigt sich dafür, den Mund zugemacht zu haben, als ob diese Handlung einen Bruch in seiner Beziehung zu einem anderen bedeute. Jetzt spricht er deutlicher und seine Worte werden verständlich. Er sagt hauptsächlich : "You can go inside", "It's not a trap"1.
Der Mund ist eine Öffnung, durch die Nahrung zugeführt, in der ein Laut erzeugt und durch den geatmet wird. Während Vito Acconci in Two Takes den Mund als einen Ort des Verschlingens und der Besitznahme definiert, stellt er ihn in Open Book im Maßstab des Bildschirms dar und verwandelt ihn in einen phantasiereichen Empfangsraum, in dem man auf den anderen wartet. Er ist erst eine Schwelle und dann ein Ort der Kommunikation und der Beziehung, der zur Schau gestellt und durch die unüberwindliche Grenze des Fernsehbildschirms gezeigt wird.
Die Ästhetik von Vito Acconci stammt nicht aus den zeitgenössischen Kunstrichtungen der formellen bzw. der begrifflichen Kunst im engeren Sinne. Sie wird aus einem Verhältnis zum Fleisch und zum Körper heraus entwickelt und kontrastiert dadurch selbst mit dem Immateriellen des Videos und dessen aus dem Zusammenhang gerissenen Abspielens am Ort des Zuschauers.
Thérèse Beyler
1 "Du kannst hereinkommen", "Das ist keine Falle".