Vidéo 50, 1978
SECAM, Ton, Farbe
Video 50, das 1978 in den Studios des Centre Georges Pompidou gedreht wurde, besteht aus 50 Spots, die jeweils 30 Sekunden lang dauern 1. Mit Hilfe kleiner Sketche zeigt Robert Wilson außergewöhnliche Riten, die harmlos und phantasievoll zugleich sind (Linda's Eye, Muscle Man...). Man ist Zeuge von Fiktionen im Embryozustand, in denen die Inszenierung von der Werbung die ausgefeilte ästhetische Darstellung der Körper und Dekors übernimmt. Sehr schnell scheitert die Werberethorik; Störungen schieben sich in die Norm: scheinbare Willkür des Sinnes auf Kosten der "choc"-Montage. Vollkommen unakademische Körper fallen wie Parasiten in das perfekte Dekor ein - schwitzende Körper, dicke Bäuche, stumpfe Stimmen. Der Rhythmus ist nach wie vor langsam, die Fiktion schließt sich immer wieder hinter sich selbst. Das Kunstwerk gleicht einer Haïku-Sammlung. Der Ton ist für die Errichtung des architektonischen Gerüsts jeder einzelnen Sequenz des Videogramms, das sowohl durch das Experiment der sich wiederholenden Musik als auch durch seine serielle Technik am Werk der Minimal-Art durchwandert zu werden scheint, äußerst wichtig. Robert Wilson treibt die Fernsehlogik bis zum Unsinnigen, und setzt somit die fragmentarische und unterbrochene Vision, die der Zuschauer bekommt und die dem Zapping gleicht, wieder zusammen. All diese visuellen Skizzen wurden in der Vorstellung ausgearbeitet, sie unter die Fernsehprogramme zu mischen und sie bei einer eventuellen Störung einzusetzen (anstelle der Ziellinie). Sie sollen überraschen. Sie sollen die Zuschauer dann überraschen, wenn sie nicht damit rechnen. Doch Video 50 ist auch dazu bestimmt, den Bildschirm der Wohnzimmer zu verlassen, - der für Robert Wilson vor allem ein Möbelstück ist -, und in der Öffentlichkeit gezeigt zu werden. In den achtziger Jahre häuften sich die Videobildschirme in Durchgangsorten (U-Bahn, Banken, Geschäfte...) ; in Form kurzer Überfälle wurden diese Spots im Leben der Menschen wie eine Zufallsprojektion abgespielt. Sie dauerten kaum so lang, wie man brauchte, um an ihnen vorbeizulaufen. Die Anspielung erinnert an bestimmte Filme von Warhol, die nicht mehr Aufmerksamkeit verlangen, als eine einfache Tapete. Dieses Video stellt sich dem Film entgegen, insofern, als seine Lesart nicht linear sein, nicht am Stück erfolgen muß. Der Zuschauer kann seine Aufmerksamkeit gleichermaßen auf den Ton und das Bild konzentrieren, das Werk zerlegen oder nicht: "Das ist machbar, weil es so entworfen wurde, daß er sich in eine Umgebung einfügt, in der wir selektiv sein dürfen." 2 Indem er die Darstellungsarten von Theater und Fernsehen ins Gegenteil verkehrt, verfolgt Robert Wilson nicht nur eine ästhetische Ökonomie, die dem Medium eigen ist, sondern nimmt das vorweg, was man Mitte der achtziger Jahre in Frankreich das "Vidéo de création" nennen würde.
Dominique Garrigues
1 Von diesem Film gibt es zwei Fassungen: die eine dauert 36Õ (CNAC-GP, 1978) ; die andere neu inszenierte ZDF-Fassung (1980) 25Õ.
2 Jean-Paul Fargier, Danielle Jaeggi, "Entretien avec Bob Wilson", (Gespräch mit Bob Wilson) in Cahiers du Cinéma, Paris, Ausgabe 336, Mai 1982.