Réveils, 1988

PAL, Ton, Farbe


Das 1988 entstehende Réveils ist der Beginn einer künstlerischen Tätigkeit, bei der sich Pierrick Sorin selbst filmt und ein Genre einführt, das sein Markenzeichen werden wird. Die zunächst mit Super-8-mm gedrehten und aus Gründen der Verbreitung auf Videofilm überspielten Filme bestehen aus einer grob zusammengeklebten Aufnahmenfolge. Aufgrund der Trivialität des Themas und der Drehtechnik mit unveränderter Einstellung und ohne Schnitt ist Réveils der Experimentalreihe des gefilmten Tagebuchs zuzuordnen. Pierrick Sorin versetzt sie mit Komik und verleiht ihr eine der Präsentationsweise der modernen Kunst entsprechende apparaturartige Dimension. Wie er im Vorspann erklärt, wurde jede Aufnahme durch eine vorherige Programmierung des Geräts festgelegt. Dieses schaltet sich immer genau dann ein, wenn der Künstler aufwacht. Das unweigerlich komische Ergebnis ist ein Selbstportrait des noch halb schlafenden Künstlers, der in einem intimen Moment überrascht wird. Noch nicht ganz wach klagt er, dass er "müde" sei und versucht jeden morgen aufs Neue, seinen Zustand zu entschuldigen. Die Wiederholungsstruktur verstärkt den komischen Effekt und bringt den Autor in eine Lage mehrfachen Scheiterns. Das Bild des Künstlers,  normalerweise als ein kreativer Mensch gesehen, wird hier in Frage gestellt.

Nach Réveils drehte Pierrick Sorin zahlreiche Videos, in denen er sich selbstironisch alleine oder zusammen mit einem Double in antiheldenhaften Situationen in Szene setzt (Katastrophen, Spott über die traditionellen Kunstklischees, Farcen…). Diese Videos beruhen auf dem gleichen komischen Unterbau, wie die burlesken Filme der Zwanzigerjahre. Pierrick Sorin bleibt den „saynètes" (einer Art Sketch) treu, setzt jedoch heute bei seinem Schaffen modernere Mittel ein. Seine letzten Installationen reihen den Videofilm in die Gruppe der Hologramme und dreidimensionalen Animationen ein. An Stelle des häuslichen Umfeldes des Künstlers tritt heute Theaterdekor. Pierrick Sorin kehrt zu den Anfängen der Kinematographie zurück und zeigt seine "Blackboxes", ähnlich der "Black Maria", einer Blackbox, die Edison für kurze Bildfolgen, angefangen von Music-hall-Eindrücken bis hin zur behelfsmäßigen Ethnographie, bauen ließ."1.

1 Elisabeth Milon, "Pierrick Sorin, le Sorin ou l'art du premier degré", Art Press, Ausgabe 258, Juni 2000.