Soft and Hard (Soft Talk on a Hard Subject Between Two Friends), 1985

PAL, Ton, Farbe


Als Jean-Luc Godard und Anne-Marie Miéville 1972 die Entscheidung trafen, in Grenoble die unabhängige Produktions-Einrichtung "Sonimage" (Klang + Bild) zu gründen, haben sie sich in ein ehrgeiziges Lebensprojekt begeben: Die Ausübung einer professionellen Tätigkeit am Rande der üblichen Beziehungen in der Produktion, die zudem nicht getrennt vom gemeinsame Privatleben stattfindet, und so die Organisation einer Gesellschaft außer Kraft setzt, in der Arbeit und Freizeit getrennt sind.


Von eben diesem Projekt ist in dem 1985 verwirklichten und vom englischen Fernsehen produzierten Essay Soft and Hard (Soft Talk on a Hard Subject between two Friends) die Rede. In dieser Autobiographie für Zwei vermischen sich Privatbereich und "Fabrik": Wir werden Zeuge der Einsamkeit jedes Einzelnen in seinen alltäglichen Verrichtungen (Anne-Marie Miéville beim Bügeln, Jean-Luc Godard im Bett), ebenso wie bei der Arbeit (Anne-Marie Miéville an ihrem Montagetisch, Jean-Luc Godard in seinem Büro). In dem Bewußtsein, daß die Aktivitäten, die sie uns zeigen, zu dem Bild beitragen, daß wir von ihnen haben werden (Jean-Luc Godard spielt im Wohnzimmer Tennis), zögern Sie nicht, mit sehr viel Weitsicht ebenso ihre Einsamkeit wie ihre Kooperation in Szene zu setzen. Was wir in Soft and Hard vor allem von ihnen sehen, ist die Addition beider, wie sie bei einem Gespräch im Wohnzimmer deutlich wird. Dies wird in einer festen Einstellung gefilmt, ist anscheinend von leichter Art (Soft) aber mit einem ernsten Inhalt (hard): Dem des aus zwei Individuen bestehenden Paares, in dem beide Subjekt sein möchten.
Dieses Gespräch bringt eine Position gegenüber der bildlichen Darstellung zum Ausdruck, die sich grundlegend von den Bildern des Fernsehens und des Hollywoodkinos unterscheidet. Es ist die Sichtweise von zwei Filmemachern, die die Ursprünge ihrer Leidenschaft für das Kino miteinander vergleichen, sie ist aber zugleich Anlaß für eine intime Begegnung (between two friends), mit der Infragestellung der eigenen Person und gegenseitiger Kritik. Je weiter sich das Gespräch entwickelt, desto mehr wird deutlich, daß jeder sein eigenes Projekt schafft, obwohl sie zu zweit sind. Zehn Jahre zuvor warf Numéro deux (1975), bei dem Anne-Marie Miéville das Drehbuch mitgeschrieben hatte, schon einmal die Frage nach der Rollenverteilung eines Paares und der Rollenverteilung beider auf. Anne-Marie Miéville liefert uns in ihren Kurzfilmen immer noch Beziehungskrisen (Le Livre de Marie, 1984), und dann in Lou n'a pas dit non (1993). Im Jahre 1996 realisiert sie kühn Nous sommes tous encore ici, mit Jean-Luc Godard in seiner eigenen Rolle.
Soft and Hard ist eine pessimistische Bilanz: " - Dieser Wunsch, zu wachsen, zum Subjekt zu werden... - Where has it gone ? - It is hard to say. - It is hard to say."1 Nous sommes tous encore ici, der hiervon die Fortsetzung sein könnte, ist nostalgisch geworden. Jean-Luc Godard seinerseits verfolgt auf eine gewisse Weise ohne Anne-Marie Miéville diese autobiografische Suche mit den Histoire(s) du cinéma ab1987, und schließlich mit JLG / JLG (1994).
Was man aber von Soft and Hard in Erinnerung behält, ist das Projekt, zusammenzuleben, mit zwei Sprachen (ihren Sprachen, einer weiblichen und einer männlichen), die sich überschneiden. Mit einer gemeinsamen Idee vom Schönen, selbst, wenn sie bruchstückhaft bleibt. Soft and Hard bleibt ein lyrisches Werk, auf der Linie von Sauve qui peut la vie, das eine allgegenwärtige Natur zu Wort kommen läßt, "in der die Welt der Schöpfung wie ein Unfall vorkommt ": Szenen von Spaziergängen an den Ufern des Genfer Sees oder auf dem Land, wolkige Himmel, die gefilmt sind, als wären sie gemalt worden, dies sind die außergewöhnlichen Momente, dank derer sie aus der über-zivilisieen Welt entkommen können. Standbilder, Rückgriff auf Literaturzitate mit Off-Stimme, schubweise Einfügung von Texten und Violinen, dies sind die Elemente einer Sprache, die der Regisseur 10 Jahre später verwendet, um sein Selbstportrait JLG / JLG zu filmen. Diese Techniken dienen sehr wohl der Schaffung eines anderen Rhythmus und einer anderen visuellen Form, sie tragen aber vor allem zur Entstehung von Emotionen bei all denen bei, die sich die nötige Zeit zur Betrachtung nehmen mögen, um zu erkennen, was man ihnen zur Betrachtung anbietet.


Marie Anne Lanavère


1 "- Was ist aus ihm geworden ?
- Es ist schwer zu sagen.
- Es ist schwer zu sagen."
2 Äußerung von Anne-Marie Miéville in Soft and Hard.