Actions-peu, 1995 - 1997

PAL, Ton, Farbe


Actions-Peu besteht aus einer Serie acht kurzer Bildfolgen, in denen Boris Achour seine Aktionen im städtischen Umfeld filmt. Er benutzt ein Element oder eine Konfiguration des Stadtmobiliars (einen Pfosten, einen Schaltschrank, einen Belüftungsschacht, in einer Reihe stehende Blumenkübel….) und verändert sie, indem er einen herkömmlichen Stoff hinzufügt oder das bestehende Gleichgewicht zerstört.


In einigen Sequenzen werden formale Gegenüberstellungen von Farbelementen oder Elementen aus ähnlichen Materialien benutzt. So legt Boris Achour in der ersten Bildfolge Lebkuchen auf den Fuß eines Strommastes und in der siebten in einer Straße drei Pralinen auf einen Schaltschrank.


Er arbeitet gerne mit dem Bruch einer vorgegebenen Perspektive. Beispielsweise unterbricht er in der vierten Sequenz die Flucht nebeneinander stehender Blumenkübel. In der sechsten stellt er einen Stuhl mitten auf eine von einer Umgehungsstrasse umgebene Brücke.


Die drei letzten bringen sowohl seine Neigung für Sicherheitsvorrichtungen zum Ausdruck (eine Kugel Klebeband um eine Eisenstange, die aus einem Betonblock herausragt) als auch eine gewisse Ironie hinsichtlich der Stadtskulptur (eine Reihe bunter Plastiktüten, die an einem Entlüftungsschacht hängen).


Boris Achour bewahrt eine witzige Distanz zu den vorgeschlagenen bzw. auferlegten Städtebauregeln, die die Fortbewegung von Körpern in der Öffentlichkeit kontrollieren und deren Blicke auf das lenken, was sie sehen sollen.


Der Titel des Videos nimmt auf eine Performance Bezug, induziert jedoch eine Bewegungsminderung. Actions-peu steht damit mit Boris Achours hellsichtigem Wissen um den Status des zeitgenössischen Künstlers im Einklang, ein Künstler, der weder die geheimnisvolle Wahrheit kennt, noch Visionär ist. In der gleichen Phase entwirft er ein Flugblatt, ähnlich jener, die die Marabuts am Ausgang der Metro verteilen. Darauf ist zu lesen: "Boris Achour kann nichts für Sie tun"; eine Feststellung seiner zukunftsorientierten Machtlosigkeit.


Die Aktion zeichnet sich durch Kürze und Vergänglichkeit aus: kaum wurde sie vollendet, ist sie schon eine Aufzeichnung. Das Video ist das geeignetste Mittel, um Aktionen festzuhalten, denn die Endergebnisse verschwinden. Der Fortbestand dieser Handlungen im öffentlichen Bereich ist nicht wichtig, denn sie haben weder eine potentielle verschönernde noch eine betonende Funktion.


Die Scharfsinnigkeit seiner Aktionen äußert sich in der Tradition des "Witzes", der geistreichen Bemerkung, mit dem einzigen Unterschied, dass Boris Achour keine Wörter verwendet, sondern eine neue Gestaltung visueller Zeichen.


Die Sequenzen wirken zusammen wie eine beliebig fortsetzbare Folge. Actions-peu stellt weniger ein fertiges System dar, als vielmehr eine Bedienungsanleitung für eine Aktion, die von situationsbedingten Postulaten und vom städtischen Niedergang abgeleitet wird.


1996 kreiiert Boris Achour L'Aligneur de pigeons, eine Montage zweier Fotos, die wie eine Bedienungsanleitung für die Herstellung einer "action-peu" aufgemacht ist. Diese scheinbar einfache und spielerisch aufgebaute Inszenierung von Vögeln nach dem Vorher-Nachher-Prinzip (Tauben wild durcheinander/Tauben in einer Reihe an einem Futtertrog) enthüllt dem kundigen Betrachter ein prestigereiches Umfeld: zum einen das Palais Royal, ein klassisches Gebäude, in dem die geraden Linien Ordnung und Perfektion symbolisieren, und zum andern Les Deux Plateaux von Daniel Buren, ein symptomatisches Werk einer öffentlichen Befehlspolitik, bei der künstlerische Aktion mit ästhetischem Mehrwert gleichzusetzen ist.


Laetitia Rouiller