Casque Bleu, 1995

PAL, Ton, Farbe


"Die Maßnahmen zur Wahrung des Friedens forderten oftmals schwere Opfer. All diejenigen, ob Armeeangehörige oder Zivilbevölkerung, die dazu beigetragen haben, verdienen den Dank der UNO und der internationalen Gemeinschaft an sich für ihren Mut und ihrer Opferbereitschaft, die sie angesichts eines unmöglich scheinenden Friedens- und Sicherheitprozesses an den Tag gelegt haben. Das, was sie getan haben, erfüllt die UNO mit Stolz. Ihr Opfer hat Millionen Menschen Hoffnung gegeben, während die durch diesen Konflikt gespalten Gesellschaften den Weg des Friedens nicht ohne Probleme beschritten."1

Chris Marker trifft 1995 einen dieser "Helden". Er heißt François Crémieux, ist ein junger Arzt und hatte sich freiwillig dafür gemeldet, sechs Monate seines Militärdienstes in Bosnien abzuleisten.

Nachdem er wieder nach Frankreich zurückgekehrt war, befragt ihn Chris Marker über seine Blauhelm-Mission in Bosnien, bzw. hört er sich an, was er zu sagen hat. Themen sind die Auswirkung der UNO-Anwesenheit, die Diskrepanzen zwischen der Mission und den Presseberichten, die Ankündigungen der Politiker, doch vor allem die nackte Realität.

Intelligent und präzise fasst François Crémieux einige der Widersprüchlichkeiten des internationalen Systems zusammen, ein System, das eingerichtet wurde, um den Frieden in diesem Teil der Welt aufrechtzuerhalten. Er legt klar die Probleme dar, die dieses System mit sich bringt, wenn es mit der menschlichen und geopolitischen Realität konfrontiert ist.

Dieses Gespräch ist in neunzehn Sektionen gegliedert: Gründe, Bilder, Briefing, Geschichte, Bousniouks, Aggressionen, Mission, Motivation, Freiwillige, Gehorsam, Hunde, Krieg, Tod, Rückkehr, Politik, Lüge, Positiv, UNO, Bilanz.

Die Blauhelme verweigern jeglichen Kommentar. Aber François Crémieux spricht.

Er nennt uns die vier offiziellen Missionen der UNO - Eskorte der Hilfsgütertransporte, Beobachtung der Lage in den verschiedenen Lagern, Patrouillen vor Ort und Schutz der UNO-Angehörigen -, und analysiert die Gründe für diese Ziele, die Widersprüche der internationalen Organisation, die Ethik der vorgeschlagenen Mandate.

So berichtet er spöttisch über die vierte Mission: "Die letzte Mission lautete, uns selbst schützen, unsere eigenen Transporte schützen. Mit dieser Mission war ich die meiste Zeit beschäftigt […]"

Er fasst die Ereignisse in einer Schiffsmetapher zusammen: "Man hat das Gefühl, auf der Brücke eines Schiffes zu stehen, mal das Richtige, mal das Falsche zu tun, doch vor allem, dass das Schiff in die falsche Richtung fährt."2

Casque bleu (Blauhelm) reiht sich ein in Chris Markers Porträtserie, - das Porträt des Malers Matta, des Filmemachers Tarkovski und Medvedkines - und macht dem Zuschauer klar, dass es neben zutreffender Worte, und Handlungen großer Persönlichkeiten auch bestimmte geopolitische und/oder ästhetische Realitäten gibt.

Dieses von Chris Marker produzierte und gedrehte Video wurde auf ARTE gesendet und in der Ausstellung Face à l'Histoire im Centre Georges Pompidou 1996 sowie auf zahlreichen Festivals vorgestellt.

Wer diesen Film gesehen und gehört hat, sieht die Berichte der Geschichte nicht mehr mit den gleichen Augen.

Christine Van Assche

1 Les Casques Bleus, New York, Vereinte Nationen, 1996 (3. Ausg.).
2 Auszug aus dem Video.