Gilles Deleuze
Gilles Deleuze wurde 1925 in Paris geboren und begeht 1995 Selbstmord. 1948 erhält er die
Lehrbefähigung der Agrégation für Philosophie und unterrichtet ab 1964 an der
Universität Lyon. 1969 wird er von Michel Foucault nach Vincennes gerufen. Seine ersten
Werke sind Einführungen in die Gedankenwelt berühmter Autoren und in die Geschichte der
Philosophie, in denen seine bevorzugten Themen bereits deutlich zu erkennen sind
(Nietzsche, Kant, Spinoza, Hume, Bergson). 1953 nimmt er mit "Empirismus und
Subjektivität" eine kritische Haltung gegenüber der Kantschen Philosophie ein.
1962 schreibt er über Nietzsche (Nietzsche und die Philosophie). Dieses Werk
bleibt eines seiner Hauptreferenzen. Er veröffentlicht 1972 zusammen mit Felix Guattari
den "Anti-Ödipus", was eine starke Polemik hervorruft, weil er die
klassische Psychoanalyse und den reaktiven Lacano-Freudschen Ansatz angreift. Das Streben
nach einer positiven Denkweise, der Entwurf einer Antidialektik, die Lobrede auf diverse
Wünsche, die Gegenüberstellung von Erfahrung und Interpretation, Bejahung und
Ressentiment, Rhizomfigur und Rationalität, sind Bestandteil der Deleuzschen
Gedankenwelt. Neben der traditionellen Philosophie interessiert sich Gilles Deleuze für
Politik, Literatur (Marcel Proust, Franz Kafka, Lewis Carroll), Malerie (Francis Bacon)
und den Film. 1983 und 1985 erscheinen zwei Grundwerke über den Film: "L'Image-mouvement"
und "L'Image-temps". In diesen beiden Bücher bezeichnet er den Film
als eine abgeschlossene Summa. Der Philosoph gibt uns einen Überblick über alle
möglichen Bilder, das "Wahrnehmungsbild", das die Grundform des
"Bewegungsbildes" ist, bis hin zum "Film, Körper, Gehirn, Gedanke",
eine Konsequenz des Zeitbildes.
Bibliographie: Empirisme et subjectivité, Paris, PUF, 1953. Nietzsche
et la philosophie, Paris, PUF [dt. Nietzsche und die Philosophie], 1962. La
Philosophie de Kant, Paris, PUF, 1963. Marcel Proust et les signes, Paris
[dt. Proust und die Zeichen], PUF, 1964. Nietzsche, Paris, PUF, 1965. Le
Bergsonisme, Paris, PUF, 1966. Présentation de Sacher-Masoch, Paris, Éd.
de Minuit, 1967. Spinoza et le problème de l"expression, Paris, Éd. de
Minuit, 1968. Différence et répétition, Paris, PUF, 1969. Logique du sens,
Paris, Éd de Minuit, 1969. L'anti-dipe (avec Felix Guattari), Paris, Éd
de Minuit, 1972. Kafka - Pour une littérature mineure (avec Felix Guattari),
Paris, Éd de Minuit, 1975. Rhizome (avec Felix Guattari), Paris, Éd de Minuit,
1976. Dialogues (avec Claire Parnet), Paris, Flammarion, 1977. Superpositions
(avec Carmelo Bene), Paris, Éd de Minuit, 1979. Mille plateaux (avec Felix
Guattari), Paris, Éd. de Minuit, 1980. Spinoza - Philosophie pratique, Paris,
Éd de Minuit, 1981. Francis Bacon : logique de la sensation (2 vol.), Paris, Éd
de La Différence, 1981. Cinéma 1 - L'image-mouvement, Paris, Éd de Minuit,
1983. Cinéma 2 - L'image-temps, Paris, Éd de Minuit, 1985. Foucault,
Paris, Éd de Minuit, 1986. Périclès et Verdi. La philosophie de François Châtelet,
Paris, Éd de Minuit, 1988. Le pli. Leibniz et le baroque, Paris, éd. de Minuit,
1988. Pourparlers, Paris, Éd de Minuit, 1990. Qu'est-ce que la philosophie ?
(avec Felix Guattari), Paris, Éd de Minuit, 1991. "L"épuisé", in
Samuel Beckett, Quad, Paris, Éd de Minuit, 1992. Critique et clinique,
Paris, Éd de Minuit, 1993. Marcel Duchamp
Marcel Duchamp hat alles gemacht außer Videos. Er hat eine große
Eingangstür und eine ganz kleine Ausgangstür gemacht. Diese Tür ist das Video. Durch
das gehen Sie bei Marcel Duchamp hinaus. (Nam June Paik)
Anne-Marie Duguet
Anne-Marie Duguet, die 1947 in Paris geboren wurde, ist Doktor für Kunstsoziologie. Sie
unterrichtete Schauspielkunst und Fernsehsoziologie an der Universität Paris 1, wo sie
heute Dozentin im Fachbereich für bildende Kunst und Kunstwissenschaft ist und das
Forschungszentrum für Film und Videokunst leitet. Sie lehrt die Ästhetik des
elektronischen Bildes und des Computerbildes und ist gleichzeitig als Kunstkritikerin
tätig. Seit 1973 leitet sie ein Videostudio und forscht über elektronische Schriften und
fiktionale Übertragung auf den Bildschirm. Ende der Siebziger spezialisiert sie sich auf
den Videofilm und untersucht dabei den Zusammenhang zwischen den neuen visuellen Verfahren
und den soziokulturellen Gegebenheiten. Von 1979 bis 1981 ist sie Mitglied des
Redaktionsausschusses der Videozeitschrift Vidéoglyphes. 1981 veröffentlicht
Anne-Marie Duguet in Frankreich eines der ersten Bücher über den Videofilm als
Ausdrucksmittel ("Video, la mémoire au poing"). Das Buch handelt von
den gesellschaftlichen Alternativpraktiken, den Voraussetzungen, die man braucht, um in
Frankreich zu produzieren, vom Videofilm als Mittel, Kritik am Fernsehen zu üben und vom
Engagement der Frauen im Video. Sie versucht, eine neue Sprache zu entwickeln. Sie
interessiert sich für die diversen videographischen Lesarten (gesellschaftliche und
politische, Videokunst). 1991 schreibt Anne-Marie Duguet über die Kunst von
Jean-Christophe Averty, einem Pionier des elektronischen Fernsehtrickfilms. Sie
organisiert mehrere Ausstellungen, unter anderem 1993 die Retrospektive auf das Schaffen
Thierry Kuntzels in der Nationalgalerie des Jeu de Paume in Paris.
Bibliographie: Vidéo, la mémoire au poing, Paris, Hachette,
1981. Vidéo. Communications (Leit. mit Raymond Bellour), Ausgabe 48, Paris,
Seuil, 1988. Jean-Christophe Averty, Paris, Verl. Dis-Voir, 1991. Katalog Thierry
Kuntzel (Dir.), Paris, Galerie nationale du Jeu de Paume, 1993.
Beitrag zu Katalogen: The Arts for Television, Los Angeles,
Museum of Contemporary Art, 1987. Bill Viola: Raciones para llamar a la puerta de una
casa vacia, Séville, Museo de Arte Contemporaneo, 1989. Bill Viola, Paris,
Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris, ARC, 1983. Nostos II von Thierry Kuntzel,
Paris, Centre Georges Pompidou, 1984. Visibilita Zero : Ingo Gunther, Francesco Ruiz
de Infante, Jem Cohen, Gary Hill, Cipri e Maresco, Rome, Graffiti, 1997.
Gemeinschaftsarbeit: Paysages virtuels: image vidéo, image de
synthèse (mit Anne Cauquelin, Thierry Kuntzel, Jean-Louis Weissberg, Florence de
Mèredieu), Paris, Verl. Dis-Voir, 1988. L'Odyssée virtuelle (avec Jean-Marc
Peyron), Paris, La Documentation Française, 1991.
Dziga Vertov-Gruppe
Jean-Luc Godard, Jean-Pierre Gorin, Gérard Martin, Nathalie Billard und Armand Marco
bildeten zusammen die Dziga Vertov-Gruppe. Sie wurde in Frankreich nach den Mai-Unruhen im
Jahre 1968 gegründet. Die Gruppe ist das Resultat der Begegnung Jean-Luc Godards mit dem
politisch aktiven Jean-Pierre Gorin. Man erachtete es als notwendig, eine neue Zelle zu
bilden, in der man keinen politischen Film macht, sondern in der man versucht "auf
politische Art und Weise politische Filme zu drehen" (Jean-Luc Godard). Der Name
Dziga Vertov symbolisiert ein Filmgenre, bei dem man die Welt im Namen des Proletariats
zeigen möchte. Die Gruppe interessiert sich hauptsächlich für die Produktion und
weniger für den Filmvertrieb. Laut den Mitgliedern der Gruppe, die Anhänger des
Marxismus waren, muß die Produktion den Vertrieb und den Konsum bestimmen. Man bedient
sich des Bekanntheitsgrades von Jean-Luc Godard und wendete sich dem Fernsehen zu, um
Aufträge zu erhalten, die manchmal im nachhinein wieder zurückgezogen werden, wie z.B.
beim BBC und bei der RAI. Auch das deutsche Fernsehen gibt bei ihnen Filme in Auftrag. Die
Gruppe, die davon überzeugt ist, daß engagierte Filme schlecht produziert werden und
angesichts der Tatsache, daß dieses Filmgenre von Leuten betrachtet wird, die man nicht
mehr überzeugen muß, bedient man sich in der Gruppe Dziga Vertov nicht der
Vertriebsstrukturen, die normalerweise für diese Art von Film bestehen. Die Gruppe sucht
nicht nach neuen Formen, sondern nach neuen Beziehungen. Ein ganz neuer Filmansatz, der
hinter einer gewissen Didaktik heftige Worte zum Vorschein bringt, wie diese der
Ausschnitt aus einem Layout der Gruppe für Politique Hebdo zeigt: "Bei der
Vorführung eines imperialistischen Films verkauft der Bildschirm den Zuschauern die
Stimme des Staats und Gebieters. Diese Stimme streichelt den Zuschauer, schläfert ihn ein
und knüppelt ihn nieder. Bei der Vorführung eines revisionistischen Films ist der
Bildschirm ein Lautsprecher, aus dem eine Stimme schallt, die einst vom Volk ausging,
heute jedoch nicht mehr die Stimme des Volkes ist. Das Volk betrachtet schweigend sein
eigenes unförmiges Gesicht. Bei der Vorführung eines engagierten Films ist der
Bildschirm lediglich eine schwarze Tafel, auf der Bild und Ton erscheint. Bild und Ton
aber wurden durch die konkrete Analyse einer konkreten Situation, d.h. den Klassenkampf,
erzeugt. Vor diesem Bildschirm denkt die Bevölkerung nach, lernt, kämpft, kritisiert sie
und ändert sie sich." (Jean-Luc Godard par Jean-Luc Godard, Paris, éd. de
l'Etoile, 1985). |